Anläßlich der Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 15.02.2018 — I‑1 U 160/15 zur Haftungsverteilung bei einem Verkehrsunfall zwischen PKW und knapp 10-jährigem Kind.
2/3 Haftung - obwohl der Führer des Fahrzeugs sich an die vorgegebene Geschwindigkeitsbegrenzung gehalten hat und das Kind eine rote Ample überquerte, kommt des Oberlandesgericht zu einer 2/3 Haftung des Fahrers.
Notwendige Achtsamkeit
Schauen wir uns an, was ist technisch passiert. Der Fahrer war mit einer (scheinbar) erlaubten Geschwindigkeit von 60 km/h unterwegs. Dies entspricht ca. 17 m/s. Die Strecke zwischen zwei Leitpfosten wird damit in 3s gefahren.
Der Anhalteweg (Reaktionszeit+Bremsweg) bei 60 km/h für einen normalen Bremsvorgang liegt bei 54m. Ein Kind in der Entfernung erscheint lediglich ca. 1,7cm groß — auf dem Bild was im ersten Moment sieht. Zu sehen ist eine kleine Person und eine Ampel.
§ 1 StVO Grundregeln
(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.
(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.
Bewegt sich das Fahrzeug nun weiter mit dieser Geschwindigkeit, so ergibt sich, dass Reaktionszeit und Bremsweg für diese unvorhersehbare Situation gefährlich zunehmen.
Ein Kind ist steht unter besonderen Schutz.
§ 3 Abs. 2a StVO Wer ein Fahrzeug führt, muss sich gegenüber Kindern, hilfsbedürftigen und älteren Menschen, insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft, so verhalten, dass eine Gefährdung dieser Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.
Rücksicht und Haftung
Beide Verkersteilnehmer haben somit Rücksicht aufeinander zu nehmen und in diesem Fall muss der Fahrzeugführer seine Geschwindigkeit erheblich drosseln, um die Gefahr zu mindern. Er sieht zwar auf eine für ihn grüne Ampel, darf sich dieser aber nur langsam nähern.
Das Kind betritt verkehrswidrig den Straßenraum. Bei einem 10-jährigem Kind kann zwar davon ausgegangen werden, dass es die wichtigsten Verkehrsregeln kennt, so dass der Fahrer grundsätzlich vom ordnungsgemäßen Verhalten des Kindes ausgegehen kann. Anders wenn es sich schon verkehrswidrig verhält oder offensichtlich abgelenkt ist.
Das Kind hatte bereits die Hälfte der Fahrbahn zurückgelegt bevor es zum Zusammenstoß kam, und sich damit offensichtlich bereits verkehrswidrig verhalten. Der Fahrer hätte bereits bei Betreten der Fahrbahn den Bremsvorgang einleiten müssen.
Das Kind hat mit seiner Überquerung bei “Rot” einen Verstoß gegen § 37 StVO begangen.
Die Haftung eines Kindes in dem Alter regelt das BGB.
§ 828 Abs. 2 Minderjährige — Wer das siebente, aber nicht das zehnte Lebensjahr vollendet hat, ist für den Schaden, den er bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug, einer Schienenbahn oder einer Schwebebahn einem anderen zufügt, nicht verantwortlich. Dies gilt nicht, wenn er die Verletzung vorsätzlich herbeigeführt hat.
Im Einzelfall und unter Berücksichtigung der gesetzlichen Regelung ist auf den individuellen Entwicklungsstand des Kindes an. Dies ist in einem solchen Fall darzulegen.
Das Gericht ging bei dem Vortrag der Klägerseite davon aus, dass das Kind über einen Entwicklungsstand verfügt, der eine Haftung in Höhe von 1/3 rechtfertigt.